Enttäuschte Erwartungen

Ich möchte euch eine kurze Geschichte erzählen. Das Auto ist gepackt. Windeln, Reisebett, Kleidung, Essen, Trinken, Weihnachtsgeschenke, … die schier unendlich scheinende Packliste ist endlich mit kleinen Häkchen übersät und gleich kann es los gehen. Nur noch schnell die Kleine wickeln und dann ab ins Auto und zur Familie. Ich stehe am Wickeltisch und innerhalb von Sekunden bin ich wie erstarrt. Kleine rote Pünktchen an den Beinen meiner Tochter. Ich ziehe ihre Söckchen aus. An den Füßen auch. Ich brauche nicht lange nachzudenken, denn in unserem Umkreis hatten in den letzten Tagen schon ein paar andere Kinder die unter kleinen Menschen hoch ansteckende Hand-Mund-Fuß-Krankheit. Oh no! Wir beraten uns kurz und schnell steht fest: Das mit dem Weihnachtsurlaub wird nichts. Wir können unmöglich den anderen Kindern in der Familie diese nervige Krankheit mitbringen. Enttäuschung. Wir hatten uns so gefreut. Und jetzt? Weihnachten allein zu viert zu Hause? Darauf hat gerade keiner von uns Lust. Ich erinnere mich gut an die Schockstarre und das ungläubige Starren auf das gepackte Auto. Ich erinnere mich daran, dass ich mir vorstellte, alles wieder auszupacken und in die Schränke zurückzuräumen. Ich erinnere mich gut an den Ärger unserer älteren Tochter. Und ich erinnere mich an noch etwas anderes: ca. 1,5 Stunden später stand unser Auto erneut bis obenhin voll gepackt auf dem Parkplatz. Diesmal allerdings nicht mit Reisegepäck sondern mit Lebensmitteln und einem Weihnachtsbaum beladen. Ein Schmunzeln huscht über meine Lippen, wenn ich an die strahlenden Augen meiner Tochter denke, als sie mir vom spontanen Weihnachtsbaumkauf mit dem Papa erzählt und ich erinnere mich im Nachhinein gerne an das gemütliche Weihnachten zu Hause, das so ganz anders lief als geplant.

Hier ist etwas gelungen, was mich im Alltag oft resigniert zurück lässt: Sich nicht aufhalten zu lassen von enttäuschten Erwartungen. Es scheint manchmal leichter, traurig und resigniert in der Schockstarre der enttäuschten Erwartung zu verharren. Es fehlen die Ideen, wie wir die Situation anders denken oder leben könnten, wenn unsere Erwartungen nicht erfüllt werden. Wir hatten es uns so schön vorgestellt und jetzt sollen wir spontan etwas ganz anderes akzeptieren. Die Ideen anderer, eine Krankheit, Strukturen, gegen die wir nicht ankommen, finanzielle Engpässe, Streit in einer Situation, die wir uns schön vorgestellt hatten, … Der Grund für die Enttäuschung kann ganz unterschiedlich sein. Nicht immer fällt uns dann ein, wie wir die neue, ungewollte Situation anpacken und das Beste aus ihr machen können und das ist auch in Ordnung so. Manchmal brauchen wir Zeit, um uns neu zu sortieren. Mir hilft es dann, in der Stille mit Gott oder im Gespräch mit anderen über meine enttäuschten Erwartungen zu sprechen oder meine Gedanken schreibend zu sortieren. Wenn es um enttäuschte Erwartungen in Beziehungen und Freundschaften geht, ist es wichtig, klärende Gespräche zu führen. Aber das wäre noch einmal ein extra Thema.

Hier möchte ich festhalten, dass ich mir die Haltung aus der Geschichte unserer umgeplanten Weihnachtstage immer wieder in Erinnerung rufen möchte, auch wenn mir ein Umdenken nicht in jeder Situation gelingen wird. Denn ich lebe lieber nach dem Motto: „Es kommt, wie es kommt“, als mit dem Gedanken „Erwarte nicht zu viel, sonst wirst du nur enttäuscht.“ Wie schade wäre es, wenn wir aufhören würden zu träumen, Visionen zu entwickeln, und das Beste zu erwarten. Da übe ich mich lieber im Improvisieren und im Umdenken, denn so geht mir die (Vor)Freude nicht verloren.

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