Gedankenrennen

Sie galoppieren davon, galoppieren hin und her. Als wollten sie ein Wettrennen gewinnen. Jeder will der Erste sein, der Schnellste, der Schlauste, der am meisten beachtete sein. Ich beobachte das Rennen. Wild sieht es aus und ungeordnet. Gibt es hier keine Regeln? Wer gewinnt am Ende und wer bleibt auf der Strecke? Gibt es hier denn keine Schiedsrichterin? Irgendjemand müsste für Ordnung sorgen. Sonst wird das Chaos perfekt und das Ganze endet in einem Desaster. Gedankenrennen. Vielleicht könnte ich einen von ihnen einfangen, ihn festhalten, ihm die Regeln erklären. Meine Regeln. Ihn betrachten, beachten, ihn aufschreiben und ihn dann sein Rennen machen lassen. Dann den nächsten. Einen nach dem anderen einfangen, anschauen, einordnen und wieder ins Rennen schicken. Doch wo fange ich an? Denn es sind ganz sicher mehr Gedanken auf der Rennstrecke als freie Minuten in meinem Terminkalender, in denen ich sie sortieren könnte. Es braucht also ein System. Ich greife den Gedanken heraus, der am lautesten ist, der am wildesten galoppiert. Dann den, der so groß ist. Einen nach dem anderen. Und manche ignoriere ich einfach. Sie verschwinden von allein, wenn das Rennen an Wildheit verliert. An geordneten Bahnen haben sie kein Interesse. So arbeite ich mich vor. Mehrere Tage lang in wenigen und in vielen Minuten. In Gedanken, in Gesprächen und im Schreiben. Und dann komme ich zu den kleinen Gedanken. Zu denen, die nicht laut gerufen haben und das Rennen sicher verloren hätten. Zu denen, die unscheinbar und langsam sind, aber von unschätzbarem Wert. Langsam kehrt Ruhe ein.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *