Hast und Eile

In den letzten Tagen kam die Zeitschrift „anders leben“ in meinen Briefkasten geflattert und ich blieb an einem Artikel mit dem Titel „Die rigorose Abschaffung der Eile“ hängen. Er sprach mich sofort an. Eile abschaffen. Ist das eine Option? Klingt verlockend. Gerade am Morgen dieses Tages war ich zwischen Müslischüsseln, Schulbrot schmieren, Kleinkind anziehen, selbst Zähne putzen, Müll rausbringen – der riecht schon und kann auf keinen Fall mehr warten – hin und her geeilt. Pünktlich müssen wir sein. Beim Kindergarten, bei der Tagesmutter, bei der Arbeit. Schnell noch den Machtkampf ums Anziehen der Matschhose ausfechten und dann bin ich eigentlich schon am Ende meiner Nerven.

Eile abschaffen. Also langsamer Müsli machen, langsamer Zähneputzen, langsamer machtkämpfen? Dann kommen wir zu spät. Was also meint David Schäfer mit dem Titel seinen Artikels? Er schreibt, dass ihn ein Buch von John Mark Comer angesprochen und eine lange Zeit begleitet hat. „The Ruthless Elimination of Hurry“, „Die rigorose Abschaffung der Eile“. Er beschreibt, dass er das Buch genial und sehr hilfreich fand, er aber trotzdem ein Jahr später von einem auf den anderen Tag keine Power mehr hatte und nichts mehr ging. Sein Fazit: eins ist nicht gelungen, und zwar rücksichtslos, wirklich absolut rücksichtslos Hast und Eile aus seinem Leben zu verbannen. Er beschreibt dann, wie er wieder zu neuen Kräften kam und ich sitze da und denke: genauso geht es mir. Ich weiß, dass es gut wäre alle Eile und Hektik zu verbannen. Aber ich weiß auch, dass mir das nur in guten Momenten gelingt. Puh. Und jetzt? Früher aufstehen, um mehr Zeit und weniger Eile am Morgen zu haben? Manchmal hilft eine Umstellung der Strukturen tatsächlich. Aber in diesem Fall? Eher nicht. Denn mit weniger Schlaf bin ich definitiv nicht ausgeglichener und uneiliger.

Rücksichtslos schreibt er. Absolut rücksichstlos. Ohne Rücksicht? Das geht doch nicht! Naja, vielleicht doch. Vielleicht komme ich dem Ganzen näher, wenn ich aufhöre, rücksichtsvoll alle Erwartungen zu erfüllen. Vielleicht haben Hast und Eile keine Chance mehr, wenn ich es schaffe, Dinge, Termine und to dos abzusagen und mich stattdessen ins Bett lege und den fehlenden Schlaf nachhole. Vielleicht – nein ehrlich gesagt ganz sicher – werde ich ruhiger, ungehetzter und habe einen freieren Kopf, wenn ich Zeiten der Ruhe und Erholung in meinen Tag, meine Woche, mein Jahr einbaue. Leichter gesagt als getan. Ich bin nämlich ziemlich gut darin, frei geschaufelte Zeiten direkt mit neuen to dos zu füllen. Seit zwei Wochen tue ich das nicht mehr. Wenn die Zeit freigeschaufelt ist, bleibt sie frei. Meistens zumindest. Wächst der Wäscheberg eben noch zwei Tage. Mir egal. Rücksichtslos lasse ich ihn liegen und lese ein Buch. Leichter gesagt als getan. Ich übe noch und verbanne Hektik und Eile aus meinem Alltag. Die Kerzen im Advent sind gerade meine kleinen Erinnerer daran. Vielleicht auch für dich?

Morgen früh werde ich jedenfalls versuchen, eins nach dem anderen zu tun. Ohne hin und her zu eilen. Und ehrlich gesagt weißt ich, dass wir sehr wahrscheinlich trotzdem pünktlich sein werden. Und entspannter. Die Zeit reicht nämlich eigentlich. Die Eile sitzt so oft in meinem Kopf. Ich werde sie rausschmeißen. Völlig rücksichtslos. Immer wieder. In der sicheren Annahme, dass sie sich mehr und mehr verzieht. Und was ich nicht will, ist mich dabei unter Druck zu setzen, denn das würde nur neue Hektik in mir auslösen. Ich ruhe eben aus, wenn ich kann, plane mir feste Zeiten ein und tanke bewusst neue Kraft, um der Alltagshektik die Stirn bieten zu können. Und wenn sie doch gewinnt, die Hektik? Mir egal. Darauf nehme ich keine Rücksicht. Denn nobody is perfect und morgen ist ein neuer Tag. Dann mache ich weiter und tue eins nach dem anderen.

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